Königsfeld. Über Kopten in Ägypten sprach Mina Ghattas von der Gesellschaft für Internationale Entwicklung auf Einladung von “Ujamaa”. Er beschrieb eine prekäre Situation aller Christen im Nahen Osten. Ghattas ist Diakon der koptischen Kirche. Sein Vater gründete deren deutschen Sitz. Im Taunus gebe es ein koptisches Kloster samt Kirche. Beide könne man besuchen. In Deutschland gebe es über 50 koptische Gemeinden. Sie schlagen eine Brücke zwischen Protestanten und Katholiken, da sie Traditionen beider vereine.
Erstes Volk der Erde
Ägypten habe dem Westen das Alphabet geschenkt und den Kalender mit 365 Tagen. Viele deutsche Wörter gingen aufs Altägyptische zurück. Die Landesgeschichte sei geprägt von einer sehr kosmopolitischen Weltanschauung. Alexandria sei die Wissenshochburg der Welt gewesen.
Ägypten sei das erste Volk der Erde mit einem Eingottglauben, enstanden unter Echnaton. Es sei auch das erste christlich missionierte Land. Der Dreifaltigkeitsgedanke sei durch Osiris, Horus und Isis vorhanden gewesen. Der Evangelist Markus gelte als erster Papst.
Das Wort “Kopten” komme vom altägyptischen “Ägyptos” und bedeute “Ägypter”. Die Kopten sehen sich als direkte Nachfahren der Pharaonen und als erste Urchristen, führte Ghattas weiter aus. Sie prägten die Ausbreitung des Christentums im römischen Reich.
Der Referent stellte auch Verbindungen zur Reformation Luthers her. Für Kopten gelte bis heute die Trennung des christlichen Glaubens von dieser Welt. Er beschrieb die prekäre Situation heutiger Kopten in Ägypten. In den vergangenen Monaten seien 110 Kirchen geschlossen, Gläubige massakriert und Frauen vergewaltigt worden. Soziale und wirtschaftliche Existenzängste prägten das Bild der Jugend.
Verfolgung und Folter
25 Millionen Kopten würden von der ägyptischen Regierung auf 12 Millionen heruntergerechnet, damit sie ihr gegenüber keine Ansprüche stellen könnten. Es gebe keine eindeutige Religionsfreiheit. Kopten und Christen allgemein seien in allen Bereichen des öffentlichen Lebens im gesamten Nahen Osten diskriminiert.
Ghattas sprach von einer “völkerrechtlichen und menschlichen Tragödie”. Der Westen schicke koptische Flüchtlinge in die Herkunftsländer zurück, wo sie verfolgt und gefoltert würden. Nur Österreich habe den Genozid an Christen anerkannt. Es sei traurig, dass wirtschaftliche Faktoren politische Lebenswirklichkeit beeinflussten und manipulierten. Es gebe Bestrebungen des sunnitischen Islams zur Umsetzung der Scharia. Religionsausübungsfreiheit finde nicht statt. Die Situation werde in den Medien zensiert und zeige nicht die objektive Lebenswirklichkeit der Kopten.
Dietrich Siebörger fragte nach der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen im Orient. Der Zentralrat orientalischer Christen vertrete eine Million Gläubige und versuche, Schnittmengen zwischen ihnen zu finden, erklärte der Referent.
Kopten seien im öffentlichen Leben unterrepräsentiert, so Ghattas auf Nachfrage von Renate Siebörger. Viele seien gebildet aber arm, da sie beruflich keine Perspektive erhielten und wanderten deshalb ins Ausland aus.
Ehrenamtliches Engagement finde nur in Kirchen statt. Theologische Schulen stünden unter Aufsicht des Staates. Zur Frage, ob es irgendwann keine Kopten mehr in Ägypten geben werde, erklärte Ghattas, dass die Diskriminierung Strategie habe. Zum Beispiel würden in der Türkei syrisch-orthodoxe Christen enteignet. Auch würden westliche Länder wirtschaftlich ausgeschlossen, wenn sie islamische Werte nicht achteten.
Kein Personenkult
Koptische Frauen dürfen laut Ghattas nicht Priester werden. Grund sei die Berufung auf die Urform von Altem und Neuem Testament sowie auf die zwölf Jünger. Trotzdem hätten Frauen eine wichtige Rolle. Sie erteilten meist die religiöse Ausbildung im Sonntagsunterricht und seien theologisch fundiert.
Die Liturgie im Gottesdienst dauert drei Stunden, so Ghattas auf Nachfrage von Pfarrer Christoph Huss. Sie seien sehr interaktiv und manchmal laut. Es gebe Ikonenverehrung, aber keinen Personenkult.
Wie Dietrich Siebörger vom “Ujamaa” erklärte, halte man Kontakt zu koptischen Herstellern und verkaufe im Eine Welt-Laden beispielsweise koptische Kreuze.
Quelle: Schwarzwald Bote, Stephan Hübner http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.koenigsfeld-kopten-erfahren-im-nahen-osten-diskriminierung.fbb15455-7721-4cd1-8a53-4ca5d7f2b9fc.html